GOLDACH
No. 49 | 2024/2Das «Obacht Kultur» N° 49, 2024/2 geht dem Fluss nach.
Auftritt: Maria Tackmann;
Bildbogen: Sven Bösiger; Reinhard Tobler
Texte: Leta Semadeni, Valentin Lanz, Gioia Dal Molin u.v.m.
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Fensterblick
Unsichtbarer Gewässerschutz
Tief eingeschnitten in der Hügellandschaft zwischen dem Appenzeller Vorder- und Mittelland ist die Goldach kaum sichtbar. Wer jedoch von der Aachmüli und Zweibruggen her zum Chastenloch über historische Brücken wandert, kann sich am wilden Oberlauf der Goldach und ihrer Schönheit erfreuen: eine wahre «Gewässerperle», die nun mittels Auszeichnung durch den gleichnamigen Verein bekannt gemacht werden soll. Kaum etwas weist in dieser Landschaft auf das technische Werk im Untergrund hin, dem die Goldach ihr sauberes Wasser verdankt: Kilometerlange Dükerleitungen gefüllt mit Abwasser unterqueren die Täler, rund 150 Höhenmeter hinunter zur Goldach und wieder hinauf. Als Vergleich: Das imposante Sitterviadukt der Südostbahn ist gerade einmal 100 Meter hoch. Das Abwasser wird in den Dükerleitungen ohne Fremdenergie transportiert, am Dükertiefpunkt herrscht ein beachtlicher Druck. In diesen Leitungen gelangt das gesammelte Abwasser aus den Gemeinden Speicher, Trogen, Wald und Rehetobel in Richtung Bodensee. Kurz vor der Rheinmündung wird es in der Kläranlage des Abwasserverbandes Altenrhein in Thal SG zusammen mit dem Abwasser von 13 weiteren Gemeinden gereinigt. Die Goldach: eine Gewässerperle dank Abwassertechnik. Die aufwändigen Bauwerke der Siedlungsentwässerung und Dükerleitungen im Goldachtal haben Pioniercharakter: In verschiedenen Volksabstimmungen haben sich die vier anstossenden Gemeinden für die abwassertechnischen Anschlüsse an den Abwasserverband Altenrhein ausgesprochen; als erstes Speicher und Rehetobel, wenige Jahre später folgten auch Trogen und Wald, die zuvor einen eigenen kleinen Abwasserverband bildeten. Speicher und Rehetobel gingen 2016 voran und hielten für Trogen und Wald solidarisch die Möglichkeit für deren späteren Anschluss offen. Die Bauherrschaft für die Anschlussleitungen übernahm der Verband, der Kanton unterstützte das Vorhaben ideell und finanziell. Denn der Anschluss von kleinen an grosse Kläranlagen ist erst auf lange Sicht wirtschaftlich – aber ein sofortiger Gewinn für das Leben im Wasser. Ein grosses Fischsterben in den 1990er-Jahren hatte dies eindrücklich vor Augen geführt: Die Goldach war der verheerenden Wirkung eines einzigen Mottenschutzmittels im Abwasser schutzlos ausgeliefert, die kleine Kläranlage der Gemeinde Speicher praktisch wirkungslos. Heute gibt es im gesamten Appenzeller Vorderland sowie im Goldachtal keine öffentlichen Abwasserreinigungsanlagen mehr, die Goldach und ihre kleinen Seitenbäche sind damit spürbar entlastet – und die Fische zurück. Die Regionalisierung der Abwasserentsorgung geht anderswo weiter: Die Gemeinden Teufen, Stein und Hundwil führen ab 2025 ihr Abwasser entlang der Gmündertobelbrücke und der Haggenbrücke über die Sitter nach St. Gallen. Die drei Gemeinden haben zudem auch Bühler und Gais alle technischen Möglichkeiten für einen späteren Anschluss offengelassen. Eine weitere grosse gemeinschaftliche – und somit auch kulturelle – Leistung für den Gewässerschutz, die für alle in Form eines naturnahen Lebensraums sichtbar sein wird.
Valentin Lanz, geboren 1980, studierte Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich. Er arbeitet seit 2010 im Amt für Umwelt des Kantons Appenzell Ausserrhoden,
leitet seit 2017 dessen Abteilung Wasser und Stoffe und ist für die öffentlichen Abwasseranlagen und den Gewässerschutz zuständig. Per November 2024 übernimmt er die Amtsleitung.